Sea-Mail

Als Dritter Offizier fährt unsere Autorin auf einem Containerschiff – von Hamburg durch den Suezkanal Richtung Asien. Ein normaler Bordalltag zwischen Brücken­wachen, Sicherheitschecks und Ladungskontrollen. Und außer­gewöhnlichen Erlebnissen mit der Crew

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Punkt Mitternacht bin ich vom Agenten der Reederei iN Hongkong zur „Singapore Trader“ * gebracht worden. Soo groooß! Der Kapitän hat seinen neuen Dritten Offizier erst einmal bis sechs Uhr schlafen geschickt, aber ich habe nicht eine Minute durchgehalten. So aufgeregt war ich. Essen konnte ich auch nicht wirklich (bin von den Filipinos mehrfach „Diet?“ gefragt worden).

Ich stehe um sieben auf (der Matrose auf der Brücke weckt mich mit fies guter Laune telefonisch: „Hello Third, wake-up call, a very good morning to you, Sir!“).

Um halb acht gibt’s Frühstück, und um kurz vor acht gehe ich auf die Brücke, um den Chief Mate von der Wache abzulösen. Meist ist „der Alte“ (der Kapitän) auch oben, um mit seinem Ersten Offizier den anstehenden Tag zu besprechen.

Bis zwölf fahre ich das Schiff, und wenn die Verkehrssituation es zulässt, beschäftige ich mich mit allerhand Papier: Firmen-Quality-Management, Sicherheit, aber auch das Brücken-Equipment in Form von Handbüchern etc. Einmal mache ich eine Wetterbeobachtung, die an den Deutschen Wetterdienst in Hamburg getelext wird, und um zehn habe ich frischen Kaffee für den Kapitän gekocht. Dann sind da Sicherheitsgerätschaften wie Leinenschussgeräte, Radartransponder etc., aber auch Flaggen, Tagsignale, die alle inventarisiert werden wollen. Eingehende „navigational warnings“ plotte ich auf den relevanten Seekarten, und ansonsten trage ich stündlich meinen Ort in die Karte ein.

Der Zweite, den ich vorher geweckt habe, kommt kurz vor Mittag auf die Brücke, um bis vier seine Wache zu gehen. Wir schalten von einer auf die andere Hydraulikpumpe für die Ruderanlage um, testen kurz das Typhon (Schiffssirene) und die Tröte für den Generalalarm, schreiben alle möglichen Daten für den „Noon Report“ auf, der an die Firma geschickt wird, und unterhalten uns noch ein wenig. Dann gibt’s Mittagessen. Der Koch ist jemand, der sein Handwerk überhaupt nicht beherrscht, und so ist das Essen immer wieder ein fetttriefendes Abenteuer. Oft esse ich nur einen Salat und eine Suppe mit Reis (mit dem Fertigpulver kann er nix falsch machen, und Reis klappt bei Filipinos auch immer). Dort treffe ich den Chief Mate wieder, der den Vormittag lang seine Matrosen über Deck gescheucht hat, um das Schiff instand zu halten. Die Stimmung ist meistens gut, denn was soll man anderes tun, als darüber zu lachen?

Steward zum Chief Mate: „Chief, roast beef?“ – Chief Mate (hebt eine Augenbraue): „No risk, no fun.“ – Steward (verunsichert): „Yes?“ – Chief Mate (resigniert): „Yes.“

Zehn Minuten später hören wir vom Elektriker wüstes polnisches Gefluche beim Versuch, das Messer durch das Fleisch zu treiben. Der Chief Mate verschluckt sich vor Lachen und schiebt seinen Teller weg. Na ja, so ungefähr, jeden Tag.

Den Nachmittag bringe ich damit zu, mein Sicherheits-Equipment zu warten und zu inventarisieren, also jederzeit die Einsatzbereitschaft für alle möglichen Notfälle zu gewährleisten. Manchmal bekomme ich nachmittags einen Matrosen zur Seite, der dann nach meiner Anweisung krasse Dinge tut wie z. B. die Nummerierungen der Schlauchkästen nachzupinseln. Ich bin schon wichtig! An ungeraden Tagen gehe ich um halb sechs, frisch geduscht, für eine halbe Stunde auf die Brücke, um den Chief Mate, der von vier bis acht die Wache hat, fürs Abendbrot abzulösen, an geraden Tagen erledigt das der Zweite. Um sechs gibt’s Abendbrot.

Hab ich das Gefühl, dass für den Tag alles soweit geschafft ist, unterhalte ich mich noch ein wenig mit dem Zweiten, aber oft erledige ich bis zu meiner Wache um acht noch Papierkram. Die Filipinos sind ganz fasziniert: „Third, overtime? When you sleep?“

Um acht rauf auf die Brücke. Es ist jetzt dunkel, also zehn Minuten früher hin, damit die Augen sich daran gewöhnen können. Wenn es dunkel ist, muss auch ein Matrose mit auf der Brücke sein, der nach Lichtern ausguckt. Viertel vor Mitternacht den Zweiten wecken, ins Bett, sechseinhalb Stunden schlafen, und das Ganze von vorne.

Ich möchte, damit meine kleine Welt hier ein wenig besser verstanden wird, allen Nicht-Seefahrern eine kurze Einführung ins Filipino-Englisch geben. Wichtigstes Merkmal: Aus einem mir unerfindlichen Grund können sie kein F aussprechen; es wird irgendwie ein P. Sie sind also selber „Pilipinos“, sprechen die Zahl 55 als „pipty-pipe“ aus, und wenn sie aufgeregt nach dem Chief Mate schreien, nennen sie ihn: „Tschiep! Tschiep!“ Das hat doch Unterhaltungswert! Außerdem haben sie das (Deutschen nicht unbekannte) Problem mit dem „th“, das sie einfach wie T aussprechen. Das hat zur Folge, dass sie mich (den „Third“, ich werde auch so angeredet) „Turd“ nennen. Es lohnt sich, das mal im Wörterbuch nachzuschlagen, um zu verstehen, warum ich immer noch Probleme habe, nicht loszulachen, wenn sie mich so ansprechen („Good apternoon, Turd!“).

Dies ist ein Auszug aus dem Text. Den ganzen Beitrag lesen Sie in mare No. 47. Abonnentinnen und Abonnenten lesen ihn auch hier im mare Archiv.

mare No. 47

No. 47Dezember 2004 / Januar 2005

Von Pia Braux

Pia Braux, Absolventin der Hochschule für Nautik, heuert auf einem Containerfrachter an, der im Liniendienst zwischen Southampton und Fernost pendelt. Per E-Mail berichtet die Dritte Offizierin auf der „Singapore Trader“ von ihrer ersten Fahrt.

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Vita Pia Braux, Absolventin der Hochschule für Nautik, heuert auf einem Containerfrachter an, der im Liniendienst zwischen Southampton und Fernost pendelt. Per E-Mail berichtet die Dritte Offizierin auf der „Singapore Trader“ von ihrer ersten Fahrt.
Person Von Pia Braux
Vita Pia Braux, Absolventin der Hochschule für Nautik, heuert auf einem Containerfrachter an, der im Liniendienst zwischen Southampton und Fernost pendelt. Per E-Mail berichtet die Dritte Offizierin auf der „Singapore Trader“ von ihrer ersten Fahrt.
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