Mit Peitsche und Trompete

Biowaffen aus dem Sudan. Ein Politthriller um Kriegselefanten, Wettrüsten der Pharaonen und Gefahrguttransporte übers Rote Meer

Eine gelbe Staubwolke liegt über der Hafenstadt Ptolemais Theron. Der Nordwind überzieht den Außenposten des Pharaos im südlichen Sudan mit einer feinen Sandschicht. Reisende, die sich dem Ort über einen der Karawanenwege nähern, meinen, eine Fata Morgana zu erblicken: Eine schemenhafte Prozession aus riesenhaften grauen Leibern bewegt sich auf den Kai zu, an dem in tiefblauem Wasser ein Schiff liegt. Der Mast ist nach vorne umgelegt, nur die baumdicke Steuerpinne am Heck ragt hoch in den Himmel. Das Steuerruder ist grell bunt bemalt. Inmitten von Lotosblumen prangt das Schutz bringende Auge des Horus.

Befehle ertönen, vermischt mit nie gehörten animalischen Rufen, die klingen wie das Tönen urzeitlicher Hörner. Erst als der Fremde den Lehmmauern der Stadt nahe ist, wird er der Szenerie gewahr. Auf den wankenden Giganten, die zwei Schwänze zu haben scheinen, sitzen halbnackte Gestalten. Sie halten Ruten in ihren Händen und sprechen zu den mächtigen Tieren in einer fremden Sprache, die klingt wie ein Gesang. Wie in Zeitlupe marschiert die graue Gesellschaft an das Ufer des Roten Meeres, an den Steg, der auf das Schiff führt.

Dann wird der erste Elefant hinaufgeführt. Als er das Wasser unter sich bemerkt, stößt er ein erschrecktes Trompeten aus und stemmt die Beine nach vorn. Schließlich gibt der Koloss den singenden Rufen seines Mahuts widerwillig nach und klettert in den offenen Bauch des Schiffes. Als am Ende einer langwierigen Prozedur das letzte Tier an Bord ist, gibt der Kapitän mit der Hand das Zeichen zum Ablegen. Gemeinsam tauchen die Ruderer ihre Riemen ins Wasser. Unter schweren Trommelschlägen nimmt das Schiff Kurs auf den Horizont.

Auf die Elefanten wartet eine lange und gefahrvolle Seereise. Tag und Nacht ziehen die Ruderer mit immer gleichen Schlägen das Schiff nach vorne, in ständiger Angst vor Untiefen, Riffen, Piraten - und vor einer Panik unter den tonnenschweren Tieren an Bord.

Die Elefantentransporte auf dem Roten Meer waren zweifellos ein bizarres Projekt. Ganze Herden der drei Meter hohen und bis zu vier Tonnen schweren Tiere wurden im dritten Jahrhundert vor Christus aus dem Sudan nach Norden verschifft. Sie sollten für die Armee des Pharaos Ptolemaios II. in Ägypten zu Kriegs- elefanten abgerichtet werden.

Vorangegangen war ein Rüstungswettlauf zwischen zwei Erben Alexanders des Großen, den Generälen Seleukos und Ptolemaios. Während Seleukos nach dem Tod Alexanders die Großreiche Persien und Mesopotamien erhielt, fiel Ptolemaios Ägypten zu. Es folgte ein nicht enden wollender Konflikt um den Grenzverlauf im Nahen Osten und um die Kontrolle des Indienhandels. Ptolemaios war in Ägypten von den Landwegen nach Osten abgeschnitten; einen sicheren Seeweg nach Indien gab es erst 300 Jahre später, nachdem die Gesetze des Monsuns erforscht waren.

Das Kräfteverhältnis zwischen den Erzfeinden war unausgeglichen. Seleukos besaß rund 500 indische Kriegselefanten, Ptolemaios gerade 43. Diese Kampfpanzer der Antike waren schwerfällig, aber Furcht einflößend. Mit ihrem lauten Posaunen jagten sie den feindlichen Truppen Schrecken ein. Sie wirbelten mit ihrem Rüssel, teilten tödliche Peitschenschläge aus und überrannten die feindlichen Fußsoldaten. Ihr Geruch machte die Pferde scheu.


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mare No. 40

No. 40Oktober / November 2003

Von Mirko Heinemann

Mirko Heinemann, Jahrgang 1966, lebt als Reporter und Wissenschaftsjournalist für Frühgeschichte und Archäologie in Berlin.

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Vita Mirko Heinemann, Jahrgang 1966, lebt als Reporter und Wissenschaftsjournalist für Frühgeschichte und Archäologie in Berlin.
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