Malediven II: „Wenn man von Folter weiss …“

Tourismus und Politik: Fragen an amnesty international

mare: Von welchen Reisezielen würden Sie abraten?
Barbara Lochbihler: Niemand sollte Urlaub machen, wo Krieg herrscht oder die Menschenrechte massiv verletzt werden – wie in Syrien, Libyen oder Algerien. Allerdings rufen wir nicht zum Boykott auf.

Warum nicht?
Wir wenden das Instrument des Boykotts generell nicht an, weil wir oft nicht in der Lage sind, völlig zu ermessen, was dies für Auswirkungen für die Bevölkerung hätte. Denken Sie an das Handelsembargo damals gegenüber dem Irak – nicht die Führungselite litt, sondern die Kindersterblichkeit nahm extrem zu. Wir arbeiten anders: Wir dokumentieren Menschenrechtsverletzungen und bringen dies in die Öffentlichkeit. Kritik ist nicht gut für das Geschäft mit Touristen. Das nutzen wir als Hebel.

Würden Sie sich wünschen, dass manche Ziele gar nicht erst im Reisekatalog auftauchten?
Wichtig ist, dass man die Hintergründe kennt. So hat Myanmar, das frühere Burma, 1996 ein touristisches Jahr ausgerufen. Zielgruppe waren wohlhabende Touristen. Doch die sollten wissen, dass die Restaurierung der alten Tempelanlagen von Zwangsarbeitern geleistet wurde. Trotzdem sagen wir nicht, man soll nicht nach Burma reisen. Aber wir weisen darauf hin, dass Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi dazu aufgerufen hat, den Tourismus in Myanmar nicht zu unterstützen.

Es gibt ja auch klassische Urlaubsländer wie Türkei, Ägypten oder Marokko, die problematisch sind.
Die Türkei hat in dem Bestreben, in die EU zu kommen, auf der gesetzlichen Ebene große Fortschritte beim Menschenrechtsschutz gemacht. In der Praxis wird allerdings in den Gefängnissen noch immer misshandelt, und die Gewalt gegen Frauen geht nur langsam zurück. Gerade auf dem Land kommt es zu Ehrenmorden, und in der Haft werden Ehrenmörder meist besser behandelt als andere Gewalttäter. In Marokko kann man sogar von systematischer Folter in Gefängnissen sprechen – was die Regierung wie viele Staaten mit dem Kampf gegen Terror rechtfertigt. Und bei der Dominikanischen Republik oder Thailand muss man auf die Zwangs- und Kinderprostitution hinweisen. Außerdem sind die Arbeitsbedingungen in Thailand unglaublich schlecht.

Wie verhalte ich mich richtig in einem Land, in dem solche Zustände herrschen?
Ich sollte weder mich noch andere gefährden, also nicht von Einheimischen erwarten, dass sie sich zu politischen Fragen äußern. Man weiß nie, wer alles zuhört. Gerade in abgelegenen Gegenden wird natürlich registriert, mit wem die Touristen reden. Es gilt sich vorher zu informieren.

Gibt es Beispiele, bei denen Sie sagen, dass Tourismus etwas Gutes bewirkt hat?
Es ist immer gut, wenn Menschen sich mit anderen Kulturen auseinandersetzen. Andererseits können Sie durch die Devisen, die Sie ins Land bringen, eine Regierung stärken, und das kann sogar zur Verlängerung eines Unrechtsregimes führen.

Oder Urlauber tragen dazu bei, dass sich Länder ein positives Image aufbauen.
Ja, zum Beispiel assoziiert man die Malediven meist nur mit Urlaub. Kaum jemand weiß, dass dort öffentliche Proteste nicht zugelassen und Gegner inhaftiert werden, dass es zu Folter kommt und die Prozesse nicht internationalen Standards genügen. So gab es den Fall der jungen oppositionellen Regisseurin Jennifer Latheef, die 2005 nach einem unfairen Prozess zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Wir haben dann weltweit Aktionen gestartet, Protestbriefe an Präsident Gayoom geschickt. Was dazu führte, dass sie nach zehn Monaten Haft begnadigt wurde. Der Präsident weiß, dass eine solche Kampagne dem Image seines Landes sehr schadet.


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mare No. 64

No. 64Oktober / November 2007

Von Sandra Schulz

Sandra Schulz, Jahrgang 1975, aufgewachsen in China, studierte Politikwissenschaft in Freiburg und Berlin und berichtete als freie Journalistin aus Japan. Ausbildung an der Berliner Journalistenschule, danach Redakteurin bei mare. Seit 2008 ist sie Spiegel-Redakteurin und berichtete mehrere Jahre aus Asien. Ausgezeichnet wurde sie unter anderem mit dem Helmut-Stegmann-Preis und dem Axel-Springer-Preis.

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Vita Sandra Schulz, Jahrgang 1975, aufgewachsen in China, studierte Politikwissenschaft in Freiburg und Berlin und berichtete als freie Journalistin aus Japan. Ausbildung an der Berliner Journalistenschule, danach Redakteurin bei mare. Seit 2008 ist sie Spiegel-Redakteurin und berichtete mehrere Jahre aus Asien. Ausgezeichnet wurde sie unter anderem mit dem Helmut-Stegmann-Preis und dem Axel-Springer-Preis.
Person Von Sandra Schulz
Vita Sandra Schulz, Jahrgang 1975, aufgewachsen in China, studierte Politikwissenschaft in Freiburg und Berlin und berichtete als freie Journalistin aus Japan. Ausbildung an der Berliner Journalistenschule, danach Redakteurin bei mare. Seit 2008 ist sie Spiegel-Redakteurin und berichtete mehrere Jahre aus Asien. Ausgezeichnet wurde sie unter anderem mit dem Helmut-Stegmann-Preis und dem Axel-Springer-Preis.
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