Die Manager der Plattenfirma lächelten tapfer, als Erland Cooper ihnen eröffnete, dass er die Aufnahmen für sein neues Album auf einer schottischen Insel vergraben habe. Vermutlich hofften sie, dass es sich um einen Scherz des Künstlers handelt. Dann fügte Cooper allerdings hinzu, dass der Ort auf Orkney geheim sei und er das Tonband erst im Juni 2024 ausgraben wolle. Die Idee dahinter sei, herauszufinden, ob sich ein Magnetband in der Erde mit der Zeit verändere. Es könne allerdings passieren, dass die Aufnahmen irreparabel beschädigt würden. Kopien habe er übrigens nicht gemacht, aber auf seiner Website würde er in regelmäßigen Abständen Hinweise geben, wo das Werk verscharrt sei, wie bei einer Schnitzeljagd. Cooper hoffe, dass ein ehrlicher Finder sich bei ihm melde, aber sicher könne man sich natürlich nicht sein.
Es ist einer dieser Herbsttage, an denen es auf Orkney nicht mehr richtig hell wird. Erland Cooper sitzt am Steuer eines Geländewagens, den er sicher über schmale Feldwege in der Nähe eines steil abfallenden Kliffs steuert. Am Horizont absorbieren schiefergraue Wolkenberge das ohnehin karge Licht, vom Atlantischen Ozean kommende Böen treiben feinen Sprühregen auf die Windschutzscheibe. Im gefühlten grünen Nichts endet der Weg, Cooper parkt und erklärt, dass der Rest der Strecke zu Fuß zurückgelegt werden müsse. Kein Mensch weit und breit, nur kreischende Möwen. Hier hat die moderne Welt noch keine Spuren hinterlassen, und wenn ein feuerspeiender Drache auftauchen würde, wäre das auch nicht weiter verwunderlich.
Der hochgewachsene, schlanke Brite spaziert schnellen Schritts über das feuchte Gras, rät dennoch zur Vorsicht beim Tempo, denn wem die Erfahrung fehlt, der rutscht hier schnell aus, und das Kliff ist nah. Das Meer prägt das Leben auf Orkney, und wenn es nicht in Sichtweite ist, kann man es zumindest hören: das Brechen der Wellen, das Heulen der Stürme über den Schaumkronen, Wasser, das gegen Felsen klatscht. Wie zur Warnung faucht der nahe Ozean. Das Ziel sind die Sandsteinklippen von Yesnaby, genauer gesagt Yesnaby Castle, ein steil aus dem Meer aufragender Fels vor der Küste von Mainland. Es ist einer der vielen Orte auf Orkney, an denen die Realität unendlich weit entfernt scheint. Mainland ist die größte Insel des Archipels im hohen Norden von Schottland, das um die 70 Inseln umfasst. Genau ist deren Anzahl nicht zu beziffern, weil Experten darum streiten, was eigentlich als Insel durchgeht und was nicht. Ist ein Fels, der aus dem Meer ragt, eine Insel?
Erland Cooper hat zu einer Sightseeingtour nach Orkney eingeladen, zu Stätten, die er regelmäßig aufsucht, um aufzutanken und seiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Orte, die einen auf Ideen bringen wie, die Aufnahmen zu einem Album zu vergraben. „Solche Spaziergänge sind wie Medizin für mich, sie entspannen mich vollkommen. Ich besuche Orte, an denen ich Stress ablade.“ Im eleganten Kurzmantel zu Anzughose und Lederboots wirkt Cooper in der ungestümen Natur wie ein Ufo, ein lässiger Dandy, der sich auf dem Weg in die Londoner Carnaby Street nach Orkney verlaufen hat.
Und tatsächlich ist er ein Wanderer zwischen den Welten, geboren und aufgewachsen in Stromness auf Mainland, aber seinen Lebensmittelpunkt hat der Komponist, Produzent und Multiinstrumentalist in London, wo er ein Studio betreibt. Etwa alle zwei Monate besucht er seine Eltern für eine Woche. „Ich fühle mich zwischen Orkney und London hin- und hergezogen. Mal zieht es mich in die eine Richtung, mal mehr in die andere. Fest steht, dass ich mit der Gewissheit aufgewachsen bin, um mich herum Meer zu haben. Deshalb trage ich eine beständige Sehnsucht nach der See in mir. In London setze ich mich manchmal für eine Stunde an die Themse, nur um dem Wasser nahe zu sein.“
Mit dem verträumten Art-Pop seiner Bands Erland & The Carnival und The Magnetic North eroberte Cooper zwar nicht die Charts, aber er euphorisierte Kritiker. Eines Tages rief sogar die britische Pop-Legende Paul Weller an und lud ihn ein, gemeinsam auf große Konzertreise durch die USA zu gehen. Seitdem schreibt der 37-Jährige regelmäßig Songs mit Weller, spielte drei wundersame Soloalben ein und kam zuletzt bei einer altehrwürdigen großen Plattenfirma unter. Er hat viel ausprobiert und experimentiert, mit Stilen, Klängen und Genres, aber das eine Element, das seine Musik geprägt hat, ist Orkney, obwohl der Künstler die Erinnerungen daran lange abstreifen wollte. Kaum volljährig, zog er so weit weg, wie er nur konnte, aber letztlich hat ihn Orkney immer wieder eingeholt.
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Autor Christoph Dallach erschien die Reise auf die Orkneys zu Pandemiezeiten wie ein Ausflug in eine wundersame Traumwelt. Abends im Hotel überlegte er, ob er einen Winter dort überstehen würde.
Der britische Fotograf Alex Kozobolis hat die Inseln zusammen mit Erland Cooper schon mehrfach besucht. Ihr liebstes gemeinsames Ritual: abends bei einem Whisky die Fotos des Tages betrachten.
Lieferstatus | Lieferbar |
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Vita | Autor Christoph Dallach erschien die Reise auf die Orkneys zu Pandemiezeiten wie ein Ausflug in eine wundersame Traumwelt. Abends im Hotel überlegte er, ob er einen Winter dort überstehen würde.
Der britische Fotograf Alex Kozobolis hat die Inseln zusammen mit Erland Cooper schon mehrfach besucht. Ihr liebstes gemeinsames Ritual: abends bei einem Whisky die Fotos des Tages betrachten. |
Person | Von Christoph Dallach und Alex Kozobolis |
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Vita | Autor Christoph Dallach erschien die Reise auf die Orkneys zu Pandemiezeiten wie ein Ausflug in eine wundersame Traumwelt. Abends im Hotel überlegte er, ob er einen Winter dort überstehen würde.
Der britische Fotograf Alex Kozobolis hat die Inseln zusammen mit Erland Cooper schon mehrfach besucht. Ihr liebstes gemeinsames Ritual: abends bei einem Whisky die Fotos des Tages betrachten. |
Person | Von Christoph Dallach und Alex Kozobolis |