Ich fühle, also bin ich

Mit ihren Sensorien können Fische hervorragend hören und sehen. Sie erspüren sogar manches, das Menschen nicht erfassen

Seepferdchen sollte man sein. Gleich bei Sonnenaufgang kommen bei diesen Fischen Männchen und Weibchen zusammen, schmiegen ihre Schnauzen sanft aneinander und begin-
nen einander leichtflossig zu umkreisen. Anmutig wiegen die Partner sich gemeinsam hin und her, wie im Takt einer Unterwassermusik. Manchmal tanzen und kuscheln sie viele Stunden lang so verträumt miteinander, als hätten sie jedes Zeitgefühl verloren. Das gemeinsame Tanzen ist auch ein Mittel der Verführung, und bei Vollmond kommt es besonders häufig zur Kopulation. Zudem fanden Zoologen heraus, dass die meisten Seepferdchen niemals fremdgehen, sondern einander treu bleiben, bis der Tod sie scheidet.

Doch nicht nur die Rosse der Meere regen zum Staunen an. Lachse beispielsweise scheinen sich so stark nach ihrem Heimatfluss zu sehnen, dass sie nach Jahren im offenen Meer, oft aus Tausenden Kilometern Entfernung, wieder an ihren Ursprungsort zurückkehren, um zu laichen. Schützenfische können Dutzende menschliche Gesichter unterscheiden. Und Putzerlippfische übertreffen bei Intelligenztests Schimpansen.

Dabei galten Flossentiere lange Zeit als einfach gestrickt. „Vor meinem Sonnenaufgang geboren“ seien sie, schreibt etwa der berühmte englische Literat D. H. Lawrence in seinem Gedicht „Fisch“ aus dem Jahr 1921. Gemeint war wohl, dass diese Wesen irgendwann in grauer Vorzeit das Licht der Welt erblickten – beziehungsweise hinterm Mond. 

Und in der Tat gab es die ersten Fische bereits Jahrmillionen vor der Menschheit. „Beschränkt sind sie deshalb aber noch lange nicht“, sagt Jens Krause, Professor für Fischökologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. „Noch immer spukt da leider eine veraltete Vorstellung der Evolutionsgeschichte in den Köpfen vieler Menschen herum.“ Sie besage, dass die evolutions­geschichtlich ältesten Wirbeltiere – wie die Fische – am primitivsten seien, die jüngeren Spezies dagegen höher ent­wickelt, mit dem Menschen an der Spitze. „Unter Fachleuten ist diese Sichtweise längst überholt“, sagt Krause. Mehr und mehr Biologen gehen davon aus, dass die Evolution der einzelnen Gruppen von Wirbeltieren parallel verläuft. „Jede Gruppe hat sich über Jahrmillionen auf ihre jeweilige Nische spezialisiert“, so der Biologe. „Es gibt da keine Hierarchie.“ 

Wie aber nehmen Fische ihre Umwelt wahr? Sehen sie die Welt in Farbe? Stehen sie auf Mozart-Symphonien? Wie gut können sie Düfte erschnuppern? Gibt es Gourmets unter den Fischen? Zu welchen Gefühlen sind sie fähig? Haben sie eine romantische Ader? Und stimmt es, dass manche sogar elektrischen Strom nutzen?

Um herauszufinden, ob Fische die Welt bunt sehen, richteten Forscher in einem Aquarium zwei gleich große Signalflächen ein. Eines der Rechtecke färbten sie grau, das andere rot. Schwamm der Versuchsfisch zum roten Rechteck, erhielt er zur Belohnung Futter. Als er gelernt hatte, Rot mit einer Belohnung zu assoziieren, begannen die Forscher, Grau durch andere Farben zu ersetzen. Wählte der Fisch weiterhin die rote Signalfläche, war klar: Er ist weder farbenblind noch doof.

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mare No. 151

mare No. 151April / Mai 2022

Von Till Hein und Julie Sodré

Till Hein, Jahrgang 1969, Autor in Berlin, hasst Smartphones und Zoom-Konferenzen. Umso beeindruckter war er bei der Recherche, dass manche Fische Elektrizität in ihrem Alltag ganz entspannt nutzen.

Die brasilianische Illustratorin Julie Sodré, Jahrgang 1978, wohnhaft in Bendestorf bei Hamburg, hat sich auf Tierzeichnungen spezialisiert.

Mehr zum Thema im Buch Was Fische wissen von Jonathan Balcombe, mareverlag, 2018.

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Vita Till Hein, Jahrgang 1969, Autor in Berlin, hasst Smartphones und Zoom-Konferenzen. Umso beeindruckter war er bei der Recherche, dass manche Fische Elektrizität in ihrem Alltag ganz entspannt nutzen.

Die brasilianische Illustratorin Julie Sodré, Jahrgang 1978, wohnhaft in Bendestorf bei Hamburg, hat sich auf Tierzeichnungen spezialisiert.

Mehr zum Thema im Buch Was Fische wissen von Jonathan Balcombe, mareverlag, 2018.
Person Von Till Hein und Julie Sodré
Vita Till Hein, Jahrgang 1969, Autor in Berlin, hasst Smartphones und Zoom-Konferenzen. Umso beeindruckter war er bei der Recherche, dass manche Fische Elektrizität in ihrem Alltag ganz entspannt nutzen.

Die brasilianische Illustratorin Julie Sodré, Jahrgang 1978, wohnhaft in Bendestorf bei Hamburg, hat sich auf Tierzeichnungen spezialisiert.

Mehr zum Thema im Buch Was Fische wissen von Jonathan Balcombe, mareverlag, 2018.
Person Von Till Hein und Julie Sodré