Guinness und Garnelen

Wenn es nach den Stammgästen ginge, dürfte ein Pub in Irland seine Speisekarte nie mehr ändern

Der geräucherte Schellfisch steht erst seit zehn Tagen auf der Speisekarte. In Milch gekocht, taucht er in Tomatensahnesoße unter einem Floß aus gebackenem Cheddarkäse. Aidan McAlpine findet die Komposition genial, aber seine Stammgäste wollen noch nicht so richtig anbeißen. Enthusiastisch wirbt er an jedem Tisch für sein Angebot: Neu! Lecker! Probier doch mal! Doch der Schellfisch hat es schwer gegen das, was es schon immer gab. Wer ins „Suir Inn“ nach Cheekpoint kommt, weiß schon vorher, was er will.

Jim Cullen zum Beispiel, 70 Jahre alt und Bankier im Ruhestand, verkündet mit tiefem Stolz, als würde er ein politisches Bekenntnis ablegen: „I’m a seafood pie man.“ Seit 20 Jahren speist er bei der Familie McAlpine, seit 20 Jahren bestellt er die Muscheln in Knoblauchbutter als Vorspeise und dann den Meeres-Auflauf – Lachs, Kabeljau, Garnelen und Shrimps unter einer Kartoffel- und Käsekruste.

Karen Weekes, halb so alt wie Cullen und von Beruf Seglerin, lässt sich seit zehn Jahren regelmäßig bei den McAlpines bekochen. Bei ihr gibt es als Vorspeise ein Pint Guinness. Daran hält sie sich fest, bis ihr Lieblingsgericht aus dem Ofen kommt: ein Kartoffelkuchen mit Fenchel-Knoblauchsoße und Krebsfleisch. „Den gibt es nur hier“, behauptet sie. Gut möglich. Denn im „Suir Inn“ wird nicht nach Kochbüchern gearbeitet. Was die McAlpines kochen, haben sie selbst erfunden.

Aidans Vater Dunsten McAlpine war Textilfabrikant, bis er vor 30 Jahren beschloss, mit einer Kneipe am Meer noch einmal neu anzufangen. Das „Suir Inn“ gefiel ihm auf Anhieb. Der Pub ist 300 Jahre alt und liegt direkt am Waterford Harbour, einem Fjord in der Südostecke Irlands. Hier stoßen die Mündungen des Suir, der dem Pub seinen Namen gibt, und des Barrow aufeinander. Gemeinsam legen sie die letzten paar Kilometer zum offenen Atlantik zurück.

Früher hielt das Postschiff aus England direkt vor dem „Suir Inn“. Beeindruckt hatte Dunsten McAlpine allerdings eher die Zahl der Fässer und Flaschen vor der Tür. Leergut ist das wahre Zeugnis eines erfolgreichen Pubs.

Damals gab es in Cheekpoint noch eine ganze Flotte von Fischkuttern. Am Pier vor dem Pub verkauften die Fischer ihren Fang, am Tresen der McAlpines legten sie ihre Einkünfte gleich wieder an. Fischer sind durstige Menschen. Vielleicht war die Pinte am Pier deshalb nicht ganz unschuldig am Niedergang der Fischerei, obwohl Aidan McAlpine glaubt, dass allein der europäische Markt ihnen den Garaus gemacht hat. Auf jeden Fall verkaufte ein Fischer nach dem anderen sein Schiff, und es wurde ruhig im Hafen von Cheekpoint.

Zusammen mit seiner Frau Mary lernte Aidans Vater noch einmal um. Jetzt wurden sie eben Köche und das „Suir Inn“ ein Pub, in dem es auch vernünftiges Essen gibt. Die McAlpines kochen, was ihnen schmeckt und was sie auf den Märkten in der Umgebung finden: Fisch, Krebse, Krabben und Gemüse. „Comfort food“ nennen die Gäste, was es bei den McAlpines gibt, „Wohlfühl-Essen“. Zum irischen Klima passt globales Grünfutter wie Nizza-Salat irgendwie nicht. Heiß muss die Speise sein, dass man sich den Mund daran fast verbrennt. Herzhaft. Und zum Stout soll sie passen, zum schwarzen Bier von Murphy’s und Guinness.

Der Tomatensahne-Cheddarfisch eignet sich da übrigens bestens, weshalb sich Aidan McAlpine um die Zukunft seiner neuen Komposition – „die erste seit zwölf Jahren!“ – auch keine Sorgen macht. „Als der Krebs-Auflauf zum ersten Mal auf der Karte auftauchte, wollte ihn auch niemand haben. Der Schellfisch wird also ein Hit, garantiert.“


Crab Bake (Krebs-Auflauf)

Zutaten (für zwei Personen)

250 g Krebsfleisch, 3 hart gekochte Eier, 2 Knoblauchzehen, 1/2 l Milch, Petersilie, 250 g Kartoffelbrei, 50 g Butter, Sahne, 1 Glas Fischfond, 1 Esslöffel Zitronensaft, Fenchelsamen und Fenchelessenz, Basilikum, weißer Pfeffer, Semmelbrösel

Zubereitung

Butter und Fenchelsamen in einem Topf erhitzen, bis der Fenchel weich ist. Eier, Knoblauch und Petersilie pürieren und in die Butter rühren. Fischbrühe, Zitrone und die Gewürze dazu und fünf Minuten köcheln lassen. Die Milch dazugeben und die Soße mit Sahne verfeinern. Einen Esslöffel Soße auf den Boden der Auflaufform, dann den Kartoffelbrei dazu und obenauf das Krebsfleisch. Gut mit Soße tränken und mit Semmelbrösel bestreuen. 15 Minuten im Ofen backen.


McAlpine’s Suir Inn
Cheekpoint, County Waterford, Irland,
Tel. 00353/ 51 38 22 20

mare No. 23

No. 23Dezember 2000 / Januar 2001

Von Olaf Kanter und Axel Martens

Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.

Axel Martens, geboren 1968 in Varel an der Nordseeküste, arbeitet für Magazine und Werbeagenturen im In- und Ausland bevorzugt im Portrait- und Reisebereich. Für mare war er unter anderem auf der Isle of Wight bei dem Royal Yacht Squadron, dem königlichen Yachtclub, in dem vorher kein Journalist je Eintritt hatte und mit Käptn Krüss bei den Pinguinen in der Antarktis.

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Vita Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.

Axel Martens, geboren 1968 in Varel an der Nordseeküste, arbeitet für Magazine und Werbeagenturen im In- und Ausland bevorzugt im Portrait- und Reisebereich. Für mare war er unter anderem auf der Isle of Wight bei dem Royal Yacht Squadron, dem königlichen Yachtclub, in dem vorher kein Journalist je Eintritt hatte und mit Käptn Krüss bei den Pinguinen in der Antarktis.
Person Von Olaf Kanter und Axel Martens
Vita Olaf Kanter, geboren 1962, hat Anglistik und Geschichte studiert. Bei der Zeitschrift mare betreute er bis Ende 2007 die Ressorts Wissenschaft und Wirtschaft. Seit 2008 ist er Textchef im Ressort Politik bei Spiegel Online. Er lebt in Hamburg.

Axel Martens, geboren 1968 in Varel an der Nordseeküste, arbeitet für Magazine und Werbeagenturen im In- und Ausland bevorzugt im Portrait- und Reisebereich. Für mare war er unter anderem auf der Isle of Wight bei dem Royal Yacht Squadron, dem königlichen Yachtclub, in dem vorher kein Journalist je Eintritt hatte und mit Käptn Krüss bei den Pinguinen in der Antarktis.
Person Von Olaf Kanter und Axel Martens