Glückwunsch, Sir Wilfried!

„Das Meer ist die einzige Gegend, in der ich mich nicht als Fremder fühle.“ Zum 70. Geburtstag von Wilfried Erdmann, dem bedeutendsten deutschen Einhandsegler

Der Held betrat das Deck auf Strümpfen. In 14 Jahren hatte noch niemand meinem Boot solchen Respekt entgegengebracht. Wilfried Erdmann sah sich an Bord um, still, fast schüchtern. Dabei kannte er eigentlich die Details und hätte sie stolz und selbstzufrieden kommentieren können. Die Segelaufteilung, die Mastkonstruktion, die Ruderanlage, der Kocher, der Kartentisch, die gesamte Innenaufteilung – alles hatte ich von ihm abgeguckt, aus seinen vielen Büchern.

Sein erstes, „Mein Schicksal heißt ,Kathena‘“, begründete meinen Traum vom Segeln, eine dtv-junior-Taschenbuchausgabe, 1973 erworben und so oft gelesen, dass der Buchdeckel abzufallen droht und die vergilbten Seiten aus dem Leim gehen. Erdmann beschreibt darin, wie er als erster Deutscher von 1966 bis 1968 mit einem kleinen Holzboot die Welt umrundete. Nur dem Arzt, der ihm den Blinddarm vorsorglich entfernen sollte und der sich zunächst weigerte, einen Patienten ohne Schmerzen zu operieren, erzählte er von seinem Plan.

Und so glaubte ihm später die Leistung zunächst niemand, als er von seiner einsamen Rekordreise zurückkehrte. Wer Großes vollbringt, redet meist darüber. Der Held nicht. Selbst nachdem alles bewiesen war, wurde ihm der wichtigste Preis im Hochseesegeln 1969 von der Jury verweigert: „Kein Verein, kein Patent, keine Vorbereitung.“ (Zur gleichen Zeit erreichte Francis Chichester als erster Brite nach einer Weltumsegelung die englische Küste. Er wurde nicht nur triumphal gefeiert, sondern auch sogleich zum Ritter geschlagen.)

Erdmanns Schicksal dagegen heißt „Kathena“ – und Astrid. Nur weil er sich in die Frau mit den wunderschönen langen Haaren zu verlieben drohte, startete er überstürzt zur ersten Reise, heiratete sie jedoch bald nach seiner Rückkehr, und sie begaben sich sogleich auf Hochzeitsreise, segelnd um die Welt.

1984 folgte die zweite Heldentat. Erdmann ließ sich mit seinem erschriebenen Geld ein kleines, knapp über zehn Meter langes Aluminiumboot bauen. Den Rumpf nur, alles andere konstruierte er selbst. Im September startete er zur Rekordfahrt als erster Deutscher allein um die Welt, nonstop. Inzwischen glaubte man ihm seine Reise, jedoch beschrieb er seine Furcht vor Schiffskollisionen in viel befahrenen Gewässern und auch, wie er darüber nachdachte aufzugeben, im stürmischen Südpolarmeer, als ihm Einsamkeit und Naturgewalt zu sehr zugesetzt hatten. Diese Offenheit wurde später von derselben Jury, die ihm 1969 den Schlimbach-Preis verweigerte, dahingehend interpretiert, dass der Mann „Glück gehabt“ habe. Auch von fehlender Seemannschaft war die Rede.


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mare No. 79

No. 79April / Mai 2010

Von Nikolaus Gelpke

Nikolaus Gelpke, 1962 in Zürich geboren, ist Verleger des mareverlags und Chefredakteur der Zeitschrift mare. Auf Anregung von Elisabeth Mann Borgese studierte er Meeresbiologie an der Universität Kiel. Nach dem Diplom führte seine Leidenschaft für die See zur Idee von mare: Die erste Ausgabe erschien 1997; 2001 ging die Dokumentationsreihe mareTV im NDR erstmalig auf Sendung. Seit 2002 gehören auch Bücher zum Programm des mareverlags. Nikolaus Gelpke ist Initiator des World Ocean Review, der seit 2010 jährlich erscheint. Er ist Präsident der Ocean Science and Research Foundation und des International Ocean Institute sowie Schirmherr der GAME am GEOMAR in Kiel. Außerdem ist er Mitglied im Beirat der Deutschen Umweltstiftung und im Evaluationsteam des Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“ in Kiel.

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Vita Nikolaus Gelpke, 1962 in Zürich geboren, ist Verleger des mareverlags und Chefredakteur der Zeitschrift mare. Auf Anregung von Elisabeth Mann Borgese studierte er Meeresbiologie an der Universität Kiel. Nach dem Diplom führte seine Leidenschaft für die See zur Idee von mare: Die erste Ausgabe erschien 1997; 2001 ging die Dokumentationsreihe mareTV im NDR erstmalig auf Sendung. Seit 2002 gehören auch Bücher zum Programm des mareverlags. Nikolaus Gelpke ist Initiator des World Ocean Review, der seit 2010 jährlich erscheint. Er ist Präsident der Ocean Science and Research Foundation und des International Ocean Institute sowie Schirmherr der GAME am GEOMAR in Kiel. Außerdem ist er Mitglied im Beirat der Deutschen Umweltstiftung und im Evaluationsteam des Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“ in Kiel.
Person Von Nikolaus Gelpke
Vita Nikolaus Gelpke, 1962 in Zürich geboren, ist Verleger des mareverlags und Chefredakteur der Zeitschrift mare. Auf Anregung von Elisabeth Mann Borgese studierte er Meeresbiologie an der Universität Kiel. Nach dem Diplom führte seine Leidenschaft für die See zur Idee von mare: Die erste Ausgabe erschien 1997; 2001 ging die Dokumentationsreihe mareTV im NDR erstmalig auf Sendung. Seit 2002 gehören auch Bücher zum Programm des mareverlags. Nikolaus Gelpke ist Initiator des World Ocean Review, der seit 2010 jährlich erscheint. Er ist Präsident der Ocean Science and Research Foundation und des International Ocean Institute sowie Schirmherr der GAME am GEOMAR in Kiel. Außerdem ist er Mitglied im Beirat der Deutschen Umweltstiftung und im Evaluationsteam des Exzellenzclusters „Ozean der Zukunft“ in Kiel.
Person Von Nikolaus Gelpke