Gepfefferte Preise

Luxusgut, Statussymbol, Heil- und Genussmittel und erstes Handelsgut einer globalisierten Wirtschaft – Gewürze waren begehrte Reichtümer, die Imperien begründeten, und ihre Geschichte erzählt von auf­regen­den Abenteuern und Eroberungen

„Wir kommen, um  Christen und Gewürze zu suchen.“ Als der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama 1498 an der Pfefferküste im Südwesten Indiens landete, schrieb er damit Weltgeschichte. Nachdem er Afrika gen Osten umrundet hatte, stand den Portugiesen das Tor zu den Gewürzinseln offen. „Im Anfang war das Gewürz“, beginnt denn auch Stefan Zweigs berühmter Roman über den Seefahrer Ferdinand Magellan, der 1519 im Auftrag Spaniens die Gewürzinseln erstmals auf einer westlichen Route suchte.

Über viele Jahrhunderte war die Sucht nach Zimt und Pfeffer, Muskatnuss und Nelke neben der Kraft des Glaubens eine der wichtigsten Antriebsfedern menschlichen Handelns. Heute ist insbesondere unsere Weihnachtszeit untrennbar mit dem Duft von Zimt und Gewürznelken verbunden, lebt Lebkuchen vom Geschmack des Anis und Kardamoms. Einst überhaupt nur für Reiche erschwinglich, galten Gewürze lange als Luxusgüter und Statussymbol, dienten zugleich als Heil- und Genussmittel. Gewürze waren begehrte Schätze, die enorme Reichtümer, ja ganze Imperien versprachen. Die Suche nach den Spezereien führte zu Entdeckungen, Kriegen und neuen Allianzen; man wog sie in Gold auf, der Handel mit ihnen bescherte der Geschichte dramatische Kapitel und hat ihren Lauf maßgeblich beeinflusst. So lässt sich die Geschichte unserer Zivilisation auch als Geschichte der Gewürze schreiben. Ohne sie wäre die Welt eine andere, als sie heute ist.

Zimt
Das älteste aller Gewürze

„Eine schöne Jungfrau, frischer als alle Kräuter der Welt“, rühmten Hofpoeten die Pharaonin Hatschepsut. Sie war die Tochter Thutmosis I. und, wenn man so will, die erste große Frau der Geschichte. Ihr verdankte Ägypten Aufschwung und Ansehen – und eine abenteuerliche Gewürzexpedition in das sagenhafte Land Punt. Von dort, so die Überlieferung, sollten nicht nur die Götter, sondern auch kostbare Gewürze kommen, darunter Weihrauch und Zimt. Hatschepsut ließ um 1470 v. Chr. fünf Segelschiffe ausrüsten, die von Theben nilabwärts zum Delta fuhren, um von dort durch einen Kanal ins Rote Meer zu gelangen und dann südwärts an der Küste entlang nach Punt zu segeln, das wohl an der somalischen Küste gegenüber den Gewürzkönigreichen Südarabiens gelegen haben muss. Schwer beladen kehrten Hatschepsuts Schiffe nach Theben zurück. „Niemals, seit Könige leben, sind ihnen ähnliche Dinge gebracht worden“, berichtete man am pharaonischen Hof. Neben Elfenbein und Ebenholz, Gold und Silber, Panthern und Pavianen entlud man unter den Augen der staunenden Thebaner auch Weihrauch und Zimtrinde.

So sagenhaft jenes Land Punt war, so rätselhaft blieb im Altertum lange, woher der würzige Zimt tatsächlich stammt, den die Ägypter gleichermaßen für kulinarische und kosmetische, kultische und medizinische Zwecke nutzten. Mit Zimt würzten sie ihre Speisen und balsamierten ihre Mumien. Und sie verlangten nach mehr. So kam der Gewürzhandel in Schwung, der vor allem von den Arabern betrieben wurde. Über Karawanenwege und die Schifffahrt im Mittelmeer verbreitete sich das köstliche Gewürz, das der exotische Favorit in der ansonsten nicht eben reichhaltigen Küche der alten Kulturvölker war. Einst muss es überall im Orient köstlich nach Zimt geduftet haben, denn was wir heute in weihnachtlichen Zimtsternen oder Zimtwaffeln genießen, diente dort auch als beliebtes Räuchermittel.

Der römische Historiker Plinius versuchte im ersten nachchristlichen Jahrhundert, das Geheimnis um die Herkunft des Zimtes zu lüften. Tatsächlich stammt der Echte Zimt aus Ceylon, dem heutigen Sri Lanka. Dort gedeiht der kostbare Ceylon-Zimtbaum, Cinnamomum verum, bis heute am besten. Für die Stangen werden die inneren Rindenteile von nicht mehr als fingerdicken Zweigen des zu den tropischen Lorbeergewächsen gestellten Baumes verwendet.

In China ist der Chinesische Zimtbaum, Cinnamomum cassia, als Lieferant des Gewürzes bekannt. Der Kassia genannte chinesische Zimt (der botanisch gesehen kein echter Zimt ist, sondern ein eigenes Gewürz) wird dort als Arznei und Gewürz geschätzt und in einem kaiserlichen Kräuterbuch bereits zu Beginn des dritten Jahrtausends v. Chr. erwähnt. Über die Seiden- und Gewürzstraßen Asiens gelangte Zimt in den Nahen Osten, wo ihn Griechen und Römer kennenlernten. Sie verwendeten die Rinde des Zimtbaums zuerst als Medikament und Potenzmittel, schließlich auch beim Kochen.

 

Pfeffer
Im Land, „wo der Pfeffer wächst“

„Hol dich der Teufel! Wer hat dich hierher gebracht?“ Mit diesen Worten, so berichtet es ein Chronist des Ereignisses, wurde jener Mann empfangen, den der portugiesische Seefahrer Vasco da Gama als Ersten an Land schickte. Nach einer abenteuerlichen Reise von zehneinhalb Monaten waren da Gamas vier Karavellen am 20. Mai 1498 nahe der Stadt Kalikut an der südwestindischen Küste vor Anker gegangen – in jenem fern von Europa gelegenen Land, „wo der Pfeffer wächst“.

Da Gama gelang damit, was noch nie jemand geschafft hatte: den Süden Afrikas zu umschiffen und entlang der Ostküste nach Indien zu segeln. Es war eine der größten Entdeckungsfahrten der Geschichte – und der Beginn der Globalisierung. Wie Kolumbus und Magellan im Westen trieb auch da Gama im Osten die Suche nach den kostbaren, mit Gold aufgewogenen Pfefferkörnern über die Ozeane. Letztlich waren es jene Früchte des tropischen Kletterstrauchs Piper nigrum, die zur Entdeckung neuer Welten und Kulturen führten. Gemahlene Pfefferkörner waren nicht nur als magenfreundliches Heilmittel bekannt und machten fette Speisen bekömmlicher. Das scharfe, intensiv schmeckende Gewürz half auch, leicht verdorbenes Fleisch genießbar zu machen.

Als pippali wird Pfeffer bereits in den altindischen Sanskritschriften erwähnt. Die Griechen lernten peperi im vierten Jahrhundert v. Chr. durch die Feldzüge Alexanders des Großen in Indien kennen. Mit dem von Monsunwinden begünstigten asiatisch-arabischen Fernhandel gelangte Pfeffer über den Golf von Aden und Alexandria in den Mittelmeerraum. Die Römer bauten ihm besondere Lagerhäuser, um die Reichen jederzeit damit zu versorgen. Jahrhundertelang lag der Handel mit Pfeffer in den Händen weltkundiger und weltgewandter muslimischer Kaufleute; zwischen Orient und Okzident organisierten sie den Fernhandel mit dem Gewürz, das von der indischen Malabarküste bald nach Europa gelangte. In Venedig  entwickelte sich ein Gewürzhandelsmonopol. Jenseits der Alpen setzten deutsche Importkaufleute aus Nürnberg und Augsburg den profitablen Handel fort – und wurden „Pfeffersäcke“ genannt, weil sie gut von den Wucheraufschlägen lebten.

Mit der Öffnung des Seewegs zur Pfefferküste Indiens durch Vasco da Gama brach der Zwischenhandel über Venedig und die Alpen ein. Wenige Jahre später ließ sich im ägyptischen Alexandria kein einziger Sack Pfeffer mehr auftreiben. Die europäischen Handelshäuser schickten ihre Agenten nach Lissabon; die Portugiesen rissen den Pfefferhandel für 100 Jahre an sich. Ihnen folgten die Niederländer und später die Engländer, die das Geschäft mit dem Pfeffer auf die Spitze trieben. Ihre Gewinne betrugen angeblich bis zu 1000 Prozent.

 
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mare No. 131

No. 131Dezember 2018 / Januar 2019

Von Matthias Glaubrecht

Seine Forschungsreisen führten Matthias Glaubrecht, Jahrgang 1962, Evolutionsbiologe an der Universität Hamburg, auch zu Indonesiens Gewürzinseln. Er war enttäuscht, dass dort Muskatnuss- und Nelkenbäume, die einst zur Entdeckung West- und Ostindiens führten, nun vielerorts in Plantagen wie gewöhnliches Spalierobst stehen.

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Vita Seine Forschungsreisen führten Matthias Glaubrecht, Jahrgang 1962, Evolutionsbiologe an der Universität Hamburg, auch zu Indonesiens Gewürzinseln. Er war enttäuscht, dass dort Muskatnuss- und Nelkenbäume, die einst zur Entdeckung West- und Ostindiens führten, nun vielerorts in Plantagen wie gewöhnliches Spalierobst stehen.
Person Von Matthias Glaubrecht
Vita Seine Forschungsreisen führten Matthias Glaubrecht, Jahrgang 1962, Evolutionsbiologe an der Universität Hamburg, auch zu Indonesiens Gewürzinseln. Er war enttäuscht, dass dort Muskatnuss- und Nelkenbäume, die einst zur Entdeckung West- und Ostindiens führten, nun vielerorts in Plantagen wie gewöhnliches Spalierobst stehen.
Person Von Matthias Glaubrecht