Für Kuchen und Vaterland

Die verletzte Ehre eines französischen Konditors in Mexiko führte zu einem Krieg, der Frankreich wieder zur Seemacht werden ließ

Ende der 1830er-Jahre herrschten unruhige Zeiten in Mexiko. Knapp zwei Jahrzehnte zuvor, 1821, war man von Spanien unabhängig geworden, staatliche Organisation und Ordnung suchte man aber noch vergebens. In vielen Teilen des sich nun selbst verwaltenden riesigen Landes hatte die Zentralregierung nur begrenzten Einfluss; Banden und Milizen zogen umher, der Präsident wechselte zeitweise mehrmals im Jahr. Ständig lag der Staatsbankrott in der Luft, zudem hatte man 1836 das Gebiet von Texas verloren.

Unter den Wirrungen und der Anarchie dieser Zeit litten auch Ausländer, die in das junge Land gekommen waren. Einer von ihnen war der Franzose Monsieur Remontel, Bäcker und Konditor in Tacubaya, heute ein Teil von Mexiko-Stadt. Eines Tages tauchten einige betrunkene Soldaten bei ihm auf, die sein Geschäft verwüsteten und plünderten. Seine anschließende Forderung nach Schadenersatz ignorierte die mexikanische Regierung, genau wie die vieler anderer Eingewanderter, die Vertragsbrüche, behördliche Willkür oder sogar Gewalt erlebten. 

Die betroffenen Franzosen suchten Hilfe bei ihrem Botschafter, Baron Antoine-Louis Deffaudis, der sich an den französischen König Louis-Philippe I. wandte; und dieser wiederum sandte 1838 eine Flotte in mexikanische Gewässer – der Beginn einer Konfrontation, die als „Kuchenkrieg“ in die Geschichte einging, außerhalb von Mexiko und Frankreich aber weitgehend unbekannt ist.

Tatsächlich hatte der Konflikt weitere Hintergründe. Neben den chaotischen Zuständen im Land verhinderte die erst 1830 erfolgte Anerkennung Mexikos durch Frankreich, dass zwischen den Staaten bilaterale Verträge abgeschlossen wurden, insbesondere Handelsabkommen. Für Mexiko war dies verkraftbar; die nationale Wirtschaft basierte primär auf dem Binnenmarkt. Die Franzosen versuchten indes, nach den Umwälzungen der jüngeren Vergangenheit Einfluss in der Neuen Welt zu gewinnen. Schon länger forderten sie von den Mexikanern Meistbegünstigungsregeln, die Genehmigung des Küstenhandels und das Ende von Zwangsanleihen für ihre Landsleute, wenn diese Einzelhandel betrieben – also etwa für Konditoren. Alle Versuche, entsprechende Übereinkommen zu schließen, verliefen gleichwohl im Sand. Die Anhäufung von Fällen wie dem des Monsieur Remontel war daher eine willkommene Gelegenheit, die Durchsetzung von Wirtschaftsinteressen in den Deckmantel diplomatischer Fürsorge zu hüllen.

Im März 1838 erreichten die Franzosen Veracruz, schon damals der wichtigste Hafen Mexikos im Golf. An Bord waren nur wenige Marinesoldaten, dazu Baron Deffaudis, der ein Ultimatum stellte: Sollte den Forderungen nach Reparationen und einem Handelsvertrag bis Mitte April nicht nachgekommen werden, so werde man eine Seeblockade einrichten – was dann auch geschah, weil Mexiko unter seinem damaligen Präsidenten Anastasio Bustamante unnachgiebig blieb, obwohl man selbst keine nennenswerten Seestreitkräfte besaß.

Als Mexiko weiterhin keine Verhandlungsbereitschaft zeigte, schickten die Franzosen zur Verstärkung Kriegsschiffe unter dem Kommando des Konteradmirals Charles Baudin, dessen Aufstieg in Frankreichs Marine kurz nach deren größter Niederlage begann: der Schlacht von Trafalgar, mit der 1805 die Vorherrschaft Großbritanniens auf den Weltmeeren einsetzte. 


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mare No. 166

mare No. 166Oktober / November 2024

Von Stephan Sura

Stephan Sura, Jahrgang 1986, ist freier Autor aus Köln. Vom Kuchenkrieg hörte er erstmals während eines längeren Aufenthalts in Mexiko – genau wie von so vielen anderen kuriosen Geschichten, die es nur dort zu geben scheint.

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