Frauen, bleibt nicht am Ufer, stecht in See!

Ethel Smyth war nicht nur Kämpferin für Frauenrechte, sondern auch Komponistin – von der Suffragettenhymne bis zur Strandräuberoper

Kompromisslos, rebellisch, unzähmbar, so beschrieben Zeit­genossen die englische Komponistin, Dirigentin und Autorin Dame Ethel Smyth. Sie war groß und sportlich, ritt und radelte, spielte Tennis und Golf. Sie hatte eine durchdringend laute Stimme, rauchte wie ein Schlot, trank Whisky und trug meist einen Dreispitz und verbeulte Männerkleidung aus Tweed. Sie liebte mehrere Frauen und einen einzigen Mann und hielt sich für gänzlich ungeeignet zur Ehe. „Ich möchte, dass Frauen sich gro­ßen und schwierigen Aufgaben zuwenden. Sie sollen nicht dauernd an der Küste herumlungern aus Angst davor, in See zu stechen. Ich habe weder Angst, noch bin ich hilfsbedürftig; auf meine Art bin ich eine Entdeckerin, die fest an die Vorteile dieser Pionier­arbeit glaubt.“

Frauen könnten nur nachahmend schöpferisch tätig sein, sie seien unfähig zu starker originärer Arbeit – so lauteten die uralten männlichen Vorurteile. Ethel Smyth aber glaubte unerschütterlich an ihre Berufung als Komponistin und kämpfte leidenschaftlich um die Aufführungen ihrer Kompositionen in einem durch und durch misogynen, patriarchalisch strukturierten Musikbetrieb. Hörbar und sichtbar werden, das waren ihre Ziele. Sie schuf ein umfangreiches musikalisches Œuvre, fantasievoll komponierte Kammermusik, eine „Messe in D“-(Dur) und sechs Opern. „The Wreckers“, wörtlich übersetzt „Die Strandräuber“, wurde ihre erfolgreichste Oper.

Unkonventionell war Smyth in ihrem Benehmen und in ihrer Lebensweise, und sie pflegte bewusst ihre persönlichen Verbindungen. Sie knüpfte ein starkes Netz von Beziehungen über mehrere Ländergrenzen hinweg, suchte und fand zeit ihres Lebens hilfreiche Unterstützung bei all ihren Vorhaben. Sie genoss es, mit Queen Victoria Tee zu trinken und sich mit dem deutschen Kaiser zu unterhalten.

Ihre Lebenszeit reichte von der vollständigen Anne­xion Indiens durch das imperialistische Großbritannien über die Blütezeit des Viktorianismus bis hin zum Ersten und schließlich Zweiten Weltkrieg (1858–1944). Ethel war ein freches, aufmüpfiges Kind und wurde von beiden Elternteilen häufig geschlagen. Eine deutsche Gouvernante, die in Leipzig am Konservatorium Klavier studiert hatte und die Zwölfjährige mit der Musik Beethovens in Kontakt brachte, ließ in ihr den glasklaren Wunsch entstehen: Ich gehe nach Leipzig und studiere Komposition. Sie trat in Hungerstreik, um ihren Willen durchzusetzen. 

Als 19-Jährige begann sie tatsächlich ihr Kompositionsstudium, war aber enttäuscht von den Lehrern am Leipziger Konservatorium und studierte lieber privat bei dem österreichischen Komponisten Heinrich von Herzogenberg. Damit begannen die amourösen Verwicklungen in ihrem Leben. Sie verliebte sich in seine Frau Lisl, eine Pianistin. Deren Schwester Julia war mit dem in Frankreich geborenen britischen Philosophen und Autor Henry Brewster verheiratet. Brewster verliebte sich in Ethel. Julia starb, Ethel und Brewster wurden ein Paar.

Bei einem Aufenthalt in Cornwall ­hatte Ethel Schmugglerhöhlen besichtigt,darunter Piper’s Hole auf den Isles of ­Scilly. Diese Eindrücke inspirierten sie zu ihrer bekanntesten Komposition „The Wreckers“. Sie entstand in den Jahren 1903 bis 1904. Henry Brewster schrieb auf ihre Anregung hin das Libretto der Oper in französischen Versen, der Originaltitel des Werks hieß „Les naufrageurs“. Es ist ein faszinierendes, hoch spannendes Musikdrama, schnörkellos und klar in seiner dramaturgischen Konzep­tion, großartig instrumentiert, mit effektvollen Chorauftritten, beeindruckenden Ensembleszenen, emotional berührenden Soloarien und atmosphärischen Naturschilderungen. Und es ist ein feministisches Werk! 


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mare No. 166

mare No. 166Oktober / November 2024

Von Elke Seifert

Elke Seifert studierte nicht nur Germanistik, sondern auch Gesang. In mare No. 157 schrieb sie über ­Claude Debussys „La mer“. Sie lebt in Freiburg.

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