Der Morgen ist grau und kalt, Nebelschwaden ziehen vom Meer die Steilklippen hinauf. Im Hafen von Cedeira, im Nordwesten Spaniens, trifft sich eine Gruppe Männer: Muskelpakete in zerrissenen Pullovern und schlabbernden Trainingshosen, darunter ein Neoprenanzug. Die Männer sind auf Percebes aus, kleine Krebse, die sich an die gefährlichen Steilküsten Galiciens klammern.
Schon vor vielen tausend Jahren wussten die Galicier die schmackhaften Percebes – oder Entenmuscheln – zu schätzen. Archäologen fanden in den Abfallbergen neben Rundbausiedlungen aus der Bronzezeit Reste von Percebes. Der deutsche Name Entenmuschel stammt übrigens von dem mittelalterlichen Glauben, Meergänse wüchsen an fernen Küsten auf Bäumen und angespülte Äste mit Entenmuscheln seien abgebrochene Zweige mit noch unreifen Früchten.
In kleinen Booten nähern sich die Männer wenig später den Klippen und vorgelagerten Inseln. Dort, wo die See am wildesten tost, wachsen die Entenmuscheln. Zwischen scharfen Felsspalten und an spitzen, überhängenden Kanten. „Man muss das Meer sehr gut kennen“, weiß der Fischer Kiko Saleta. „Es ist tückisch, jede Welle kann dich mit sich reißen.“ Meist arbeiten die Percebeiros zu zweit. Einer sticht mit der Ferrara, einem langen Spachtel, die Entenmuscheln. Der andere hält seinen Kumpel am Seil und achtet auf die heranrollenden Brecher. Es ist eine äußerst gefährliche Arbeit: Weiße Holzkreuze erinnern gleich neben dem Leuchtturm von Corme an die Männer, die beim Percebes-Kratzen ins Meer gerissen wurden und nie wieder auftauchten.
Ein hoher Preis für ein wenig ansehnliches Tier – merkwürdige Rankenfüßler, mit einem dickhäutigen Stamm, in dem das Fleisch sitzt, geschmückt von einem „Kopf“ aus schillernden Hornplatten. „Das hässlichste Essen, das ein Mensch je zu Gesicht bekam“, meinte der amerikanische Schriftsteller James A. Michener angewidert, als ihm ein Teller voll Percebes unter die Nase geschoben wurde. Allerdings erging es ihm wie den meisten, nachdem sie nur eine Kostprobe davon genommen hatten. „Ich aß die abschreckenden Viecher mit wachsendem Genuss“, lobte Michener nach den ersten Bissen. Mittlerweile steht das lange verpönte Meeresmonster ganz oben auf den Menüs der Feinschmeckerrestaurants.
Mitte der siebziger Jahre begann der Percebes-Boom in den gehobenen Lokalen Europas. Einstmals ein Arme-Leute-Essen, zahlen Gourmets seither nicht unter 50 Mark für die Portion. Zur Weihnachtszeit, wenn überall in Spanien die Meeresfrüchte hoch im Kurs stehen, erzielen die Percebeiros problemlos weit über hundert Mark für ein Kilo der „abschreckenden Viecher“.
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Angelika Stucke, Jahrgang 1960, lebt und arbeitet als freie Journalistin in Miraflores bei Madrid. Ein Fan der Percebes wurde sie nicht – sie bleibt lieber bei echten Muscheln, den in Öl gebratenen Navajos.
Christoph Otto, Jahrgang 1966 und freier Fotograf in Berlin, kann den faszinierenden Ozeangeschmack der Krebse nur bestätigen. Für beide Autoren ist dies die erste Veröffentlichung in mare
Vita | Angelika Stucke, Jahrgang 1960, lebt und arbeitet als freie Journalistin in Miraflores bei Madrid. Ein Fan der Percebes wurde sie nicht – sie bleibt lieber bei echten Muscheln, den in Öl gebratenen Navajos.
Christoph Otto, Jahrgang 1966 und freier Fotograf in Berlin, kann den faszinierenden Ozeangeschmack der Krebse nur bestätigen. Für beide Autoren ist dies die erste Veröffentlichung in mare |
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Person | Von Angelika Stucke und Christoph Otto |
Vita | Angelika Stucke, Jahrgang 1960, lebt und arbeitet als freie Journalistin in Miraflores bei Madrid. Ein Fan der Percebes wurde sie nicht – sie bleibt lieber bei echten Muscheln, den in Öl gebratenen Navajos.
Christoph Otto, Jahrgang 1966 und freier Fotograf in Berlin, kann den faszinierenden Ozeangeschmack der Krebse nur bestätigen. Für beide Autoren ist dies die erste Veröffentlichung in mare |
Person | Von Angelika Stucke und Christoph Otto |