Vor mehr als 40 Jahren, im Juli 1975, bricht der niederländische Performance- und Konzeptkünstler Bas Jan Ader im Rahmen seines Projekts „In Search of the Miraculous“ zu einer Einhandüberquerung des Atlantiks auf. Von Cape Cod will er in neun Monaten bis Falmouth an der britischen Küste gelangen. Eine Ausstellung im Kunstmuseum Groningen soll das Projekt abschließen. Aber zehn Monate nach dem Auslaufen wird Aders kleines Segelboot „Ocean Wave“ auf offener See, weit vor der irischen Küste, aufgefunden – gekentert und ohne den Künstler.
Wenn heute, nach so langer Zeit, von Bas Jan Ader (geboren 1942) die Rede ist, konzentriert sich noch immer alles auf dieses letzte und sicher meistwahrgenommene seiner Projekte. Aders Œuvre wird in und an der Kunst als Ausdruck künstlerischer Verweigerung, des Ausstiegs und existenziellen Scheiterns am Ozean gewertet. Auch in seinem Vorhaben, sich selbst in einem kleinen Segelboot allein der Unwägbarkeit des Ozeans auszusetzen, wird kaum mehr gesehen als der Plan eines ichbezogenen Romantikers, Hasardeurs oder gar Lebensmüden, der sein eigenes Verschwinden subtil inszeniert hat.
Doch stehen im Werk des Künstlers und Seglers ganz andere (physikalische) Gewissheiten auf dem Prüfstand, die er schon zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn zunächst in Amsterdam, dann in seiner Wahlheimat Los Angeles experimentell im Selbstversuch angeht. Es sind schwindelerregende Grenzgänge zwischen Kunst und forschenden Interessen, die von akribischer Vorbereitung und eigenverantwortlicher Durchführung zeugen. Es geht um Geometrie, Elemente, Luft und Wasser, um Gravitation, Wind und Welle, es geht um das Meer.
In frühen Kurzfilmen beschäftigt sich Ader mit den äußeren Einflüssen auf Positionen und Bewegungen des Körpers im Raum. Immer geht es um seine unmittelbare körperliche Erfahrung elementarer Kräfte. Doch trotz seines forschend-experimentellen Angangs trägt sein Werk auch einen wundersamen Schleier, der porös ist und komplette Einblicke verwehrt. Sein letztes Projekt „In Search of the Miraculous“ zeigt dies wie kein anderes.
049° 58' 00" N 011° 02' 00" W – Keltische See
„… Where the scattered waters rave,
and the winds their revels keep!
Like an eagle caged, I pine,
on this dull unchanging shore:
Oh give me the flashing brine!
The spray and the tempest roar!“
Am 18. April 1976, zehn Monate nach dem Auslaufen aus Stage Harbor am Cape Cod und vier Monate nach den ersten Versuchen, Verbleib und Position des überfälligen Künstlers zu ermitteln, wird Aders durchgekenterte „Ocean Wave“ vom spanischen Fischerboot „Eduardo Pondal“ südwestlich der irischen Küste treibend aufgefunden. Vom Künstler fehlt jede Spur. Nur einige Fundstücke – Töpfe mit Nahrung, Paraffinkocher, Plastiksextant, Sonnenbrille, sechs Paar Socken, ein Sweater, drei Paar Hosen, Aders Tauchlizenz, Krankenversicherungskarte, sein Ausweis der University of California in Irvine und der angeschlagene Pass von „Bastiaan Johan Christiaan Ader“ – sind zurückgeblieben. Rettungsweste und Logbuch sind nicht aufzufinden. Der Ort des Schiffbruchs, irgendwo im Atlantik, bleibt ebenso unbekannt wie dessen nähere Umstände.
Schon nach der Überführung des Wracks in den Mutterhafen des Fischers im galicischen A Coruña beginnen die Spekulationen: Aders Boot sei wegen des Seepockenbefalls vermutlich schon sechs Monate vor dem Fund gedriftet, Ader selbst womöglich nur drei Monate gesegelt, ehe die „Ocean Wave“ nach Meinung der spanischen Marinebehörden durch eine Explosion unter Deck leckgeschlagen und zum Kentern gebracht worden sei. Nebulös bleiben die Umstände auch deshalb, weil Aders Boot bei Eintreffen seiner Frau Mary Sue Ader-Andersen und seines Bruders Erik Ader in Spanien schon nicht mehr auffindbar ist. Die „Ocean Wave“ sei gestohlen, womöglich als Schrott verhökert worden, vielleicht sei sie auch verkauft und weiter als Ausflugssegler genutzt worden, so heißt es. Doch glaubt Aders Bruder Erik, selbst ein erfahrener Segler und späteres Crewmitglied der „Tielsa“ bei der „Whitbread Round“ 1977/78, nicht an die Explosionstheorie. Er vermutet vielmehr, dass sein Bruder die fehlende Rettungsweste bei Sturm angelegt habe, dann über Bord gegangen und vom Boot getrennt worden sei.
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Angela Stercken, Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin, ist Grimme-Preisträgerin und Autorin vieler Fachbeiträge zur Kunst seit den 1960er-Jahren. Maritime Räume und das wechselvolle Verhältnis von Kunst und Meer faszinieren sie schon lange.
Vita | Angela Stercken, Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin, ist Grimme-Preisträgerin und Autorin vieler Fachbeiträge zur Kunst seit den 1960er-Jahren. Maritime Räume und das wechselvolle Verhältnis von Kunst und Meer faszinieren sie schon lange. |
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Person | Von Angela Stercken |
Vita | Angela Stercken, Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin, ist Grimme-Preisträgerin und Autorin vieler Fachbeiträge zur Kunst seit den 1960er-Jahren. Maritime Räume und das wechselvolle Verhältnis von Kunst und Meer faszinieren sie schon lange. |
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