Als die Welt das Licht erblickte

Oft bestimmten Fackeln, Feuer und Leuchttürme den Lauf der Welt. Ein Überblick über 3500 Jahre Geschichte des Lichtsignals

Nicht auszudenken, wenn es geschüttet hätte in jener Nacht und der griechische Krieger seine Fackel nicht zum Brennen gebracht hätte. Einer der größten militärischen Coups aller Zeiten wäre gescheitert und das Trojanische Pferd als Lachnummer in die Weltgeschichte eingegangen.

Zehn Jahre lang hatten hellenische Truppen die Stadt Troja belagert, waren immer wieder gegen ihre Festungsmauern angerannt, vergeblich. Da kam Odysseus die Idee mit dem hölzernen Gaul. Und als die Trojaner das Pferd nun in einem Triumphzug in die Stadt gebracht hatten und nachts in Schlaf gesunken waren, kletterten die Griechen durch eine Luke ins Freie. Odysseus ließ einen der Krieger auf einen Turm steigen und eine Fackel zum Signal anzünden. Die hellenische Flotte war nur zum Schein abgezogen, verbarg sich in einer Bucht, wenige Kilometer entfernt. Und sobald sie das Signal erblickten, das hatte Odysseus den Marineoffizieren eingeschärft, sollten sie an den Strand von Troja zurücksegeln. Lässig öffnete er das Stadttor, und die griechischen Truppen überraschten ihre Feinde im Schlaf.

Die Eroberung Trojas, im zwölften Jahrhundert vor Christus, ist nur einer von vielen spektakulären Erfolgen, die durch ein Signallicht eingeleuchtet wurden. Feuerzeichen ließen Nationen zu Weltmächten aufsteigen und halfen Offizieren, ihre Truppen zu dirigieren. Ein Lichtblitz löste in Russland die Oktoberrevolution aus, und Leuchtfeuer retteten Millionen Seeleuten das Leben. Doch es ist wohl kein Zufall, dass das Trojanische Pferd berühmt wurde, der Beitrag der Signalfackel zum Triumph der Griechen hingegen bald in Vergessenheit geriet. Denn die meisten Menschen sind Landratten und haben wenig Respekt vor Leuchtfeuern.

Seit Jahrtausenden schenken solche Lichter Seeleuten Orientierung. Noch in der frühen Neuzeit verbreiteten Fackeln Neuigkeiten schneller als jeder Bote, und heute helfen Lichtsignale auch beim Kampf gegen Piraten. Dennoch gelten sie im Zeitalter von Radar, Mobilfunk und GPS vielen Menschen als Neandertaler-Technologie, und Leuchttürme scheinen ihnen nur noch als Ansichtskartenmotive interessant. „Lasst die Küstenfeuer brennen, lasst sie leuchten weit hinaus“, singen Christen zwar noch in der Kirche, „denn sie zeigen manchem Schiffer sicherlich den Weg nach Haus.“ Doch nurmehr wenige glauben daran. An den Küsten von Nord- und Ostsee könnten bald die Lichter ausgehen. Höchste Zeit also für eine Ehrenrettung.

Schon der wohl erste Leuchtturm der Weltgeschichte, um das Jahr 285 vor Christus in Alexandria im Nildelta erbaut, ließ in seiner Heimatstadt Macht und Reichtum wachsen. Der mit weißem Marmor verkleidete Pharos war rund 120 Meter hoch, und das Holzfeuer in seiner Turmspitze, heißt es vielleicht ein wenig übertrieben, leuchtete 50 Kilometer weit aufs Mittelmeer hinaus, um Seeleuten den sicheren Weg in den Hafen zu weisen. Prompt stieg Alexandria zum wichtigsten Handelszentrum der damaligen Zeit auf.

Manche Schifffahrtshistoriker behaupten, das Zivilisationsniveau einer Gesellschaft lasse sich allein an ihren Signalfeuern ablesen. Die Römer etwa überzogen die von ihnen kontrollierten Küstengebiete mit einem Netz von Leuchtfeuern. Bei der Verkündung von Nachrichten, über weite Distanzen hinweg, waren Feuerzeichen lange Zeit konkurrenzlos. Der Sieg der Griechen über Troja etwa wurde nicht nur durch das Aufleuchten einer Fackel eingeleitet; weitere Signalfeuer meldeten den Triumph in einem Staffelsystem in einer einzigen Nacht von Insel zu Insel, bis in den 500 Kilometer entfernten Palast von Argos, im Nordosten des Peloponnes.

Im Peloponnesischen Krieg, um das Jahr 400 vor Christus, übermittelten Marinesoldaten dann bereits kompliziertere Botschaften per Feuerschein. Die Geheimzeichen der Fackeln im Nachthimmel gaben etwa Hinweise auf die Zahl und Größe der Kriegsschiffe einer sich nähernden feindlichen Flotte. Und seit den 1870er Jahren, als die British Royal Navy erste Morselampen einführte, können ganze Schlachtpläne, als Lichtsignale verschlüsselt, an Verbündete in der Ferne gesendet werden.

Auch die Oktoberrevolution in Russland geht auf ein Leuchtsignal zurück. Als am 25. Oktober 1917, um 21.40 Uhr, über der Peter-Paul-Festung im heutigen Sankt Petersburg ein Lichtblitz aufleuchtete, fiel das keinem der Machthaber auf. Die Revolutionäre auf dem Panzerkreuzer „Aurora“ jedoch, der im Hafen der Stadt vor Anker lag, waren in den Umsturzplan eingeweiht. Sofort feuerten sie mit der Bordkanone einen Schuss ab. Es war das Startsignal für die Erstürmung des Winterpalais, in dem die provisorische Regierung Russlands ihren Sitz hatte – die bolschewistische Revolution nahm ihren Lauf.

Doch nicht nur als Mittel der Kommunikation sind Lichtzeichen eine Erfolgsgeschichte. Dank Leuchtfeuern, die Schiffen den Weg an Riffen und Untiefen vorbei in den Hafen weisen, wurde die Seefahrt immer sicherer. Auch wenn einige das Vertrauen in solche Signallichter missbrauchten. „Herr, segne unsern Strand“, beteten die Menschen in früheren Jahrhunderten auf den Nord- und Ostfriesischen Inseln und ergänzten leise: „mit Strandgut“. Denn ein uraltes Recht, das jus naufragii, besagte: Wer Gegenstände, die das Meer an den Strand gespült hat, findet, darf sie behalten.


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mare No. 80

No. 80Juni / Juli 2010

Von Till Hein

Der Berliner Wissenschaftsjournalist Till Hein, Jahrgang 1969, ist in Basel aufgewachsen und fühlte sich dort auch ohne Leuchtturm sicher. Dennoch wünscht er der Königin von Basel alles Gute: God save the Queen!

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Vita Der Berliner Wissenschaftsjournalist Till Hein, Jahrgang 1969, ist in Basel aufgewachsen und fühlte sich dort auch ohne Leuchtturm sicher. Dennoch wünscht er der Königin von Basel alles Gute: God save the Queen!
Person Von Till Hein
Vita Der Berliner Wissenschaftsjournalist Till Hein, Jahrgang 1969, ist in Basel aufgewachsen und fühlte sich dort auch ohne Leuchtturm sicher. Dennoch wünscht er der Königin von Basel alles Gute: God save the Queen!
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