Alles im grünen Bereich

Eine Taucherin in Norwegen beschafft dem Koch eines Haute-­Cuisine-Restaurants eine begehrte Zutat: edle Algen

Das Wasser rund um das Südkap Norwegens ist unglaublich frisch und klar. Hier, am Kap Lindesnes, treffen sich Skagerrak und Nordsee. Starke Strömungen durchmischen die See und wirbeln das Wasser auch aus den großen Tiefen unweit der Küste herauf. Zwischen den Felsen herrschen damit ideale Bedingungen für Algen aller Art, Farbe und Geschmacksrichtung. Überhaupt kein Vergleich zum Rhein bei Duisburg, der früheren Heimat der Algentaucherin Melanie Endemann.


60 Sekunden hat sie, um unter Wasser zu ernten. Dann geht es an die Oberfläche, die Ernte abladen und wieder hinab, nach den nächsten Algen suchen. Sie taucht ohne Geräte, aber kaum tiefer als fünf Meter. Die Algen, den Tang oder auch Seespinnen und Krebse sammelt sie auf Bestellung des Küchenchefs des Restaurants „Under“. Und das macht sie rund ums Jahr, sofern Wind und Wetter es erlauben. Im Winter, bei zwei Grad Wassertemperatur, ist es besonders hart: „Dann kann ich nur anderthalb bis zwei Stunden draußen bleiben, bevor ich zum Eisblock werde“, erzählt sie. „Im Winter brauche ich oft mehrere Tage, um alle Bestellungen zu ernten. Normalerweise bekomme ich freitags die Liste der vom Restaurant gewünschten Algen und habe dann bis Montagabend oder Dienstag­abend Zeit, um alles zu finden.“

Küchenchef Bernt Sætre setzt voll auf lokale und saisonale Produkte, die Vielfalt aus dem Meer rund um das „Under“ sei enorm, versichert er. Das Menü wechselt wöchentlich, manchmal muss ein Gericht auch kurzfristig ausgetauscht werden, wenn Melanie die notwendige Zutat nicht findet oder wegen Sturms tagelang nicht tauchen kann. Dem Restaurant selbst macht solches Wetter nichts aus. Wie ein riesiger Betonriegel liegt es, schräg nach unten ins Wasser geneigt, an der Küste bei Lindesnes. Der Gastraum befindet sich fünf Meter tief unter Wasser, die Gäste sind durch eine dicke Panoramascheibe vom Meer getrennt. Einige haben schon die Algentaucherin vorbeischwimmen sehen.

Dass sie einmal als Taucherin arbeiten werde, habe sie nie gedacht, meint Melanie. Dass die einstige Waldorf-Lehrerin im, wie sie sagt, „falschen Land“ geboren sei, schon. Nach einem Norwegenurlaub fasste sie den Entschluss, das Land zu wechseln. Sie arbeitete auch im Norden zunächst als Lehrerin, musste den Job aber aus gesundheitlichen Gründen bald aufgeben. Zur Alge kam Melanie durch ihre künstlerische Ader. Sie hatte damit begonnen, Algen wie Blumen zu pressen. Auf „Passion for Ocean“-Festivals veranstaltete sie Workshops mit Kindern, wo sie aus gepressten Algen Kunstdrucke herstellte. Dann kam das Tauchen hinzu. „Ich wollte herausfinden, wo die Algen herkommen, und die Bewegungen im Wasser sehen. Frei zu tauchen wurde mir als eine Art Meditation zur Therapie für mein Rheuma empfohlen.“ Aber essen? Sie lacht. „Damals wäre ich nie im Leben darauf gekommen, Algen zu essen. Jetzt ist das natürlich ganz anders.“

Algen genießt Melanie vor allem als Pulver oder als Flocken, im Foodprozessor selbst hergestellt. 

„Wenn du ein paar Algen im Essen hast, kommt der Geschmack der anderen Zutaten viel stärker hervor. Du kannst mit Algen alles machen. Wenn du beim Angeln Zucker­tang findest, brauchst du auch keine Aluminiumfolie mehr für den Grill. Du wickelst den Fisch lieber darin ein, dann ist er schön frisch und schmeckt auch besser. Oder du schnippelst ein paar von den Algenspitzen mit in den Salat.“ 

Oder man macht eine leckere Algenpizza (siehe Rezept unten). Dazu muss man nicht einmal ein Spitzenkoch wie Bernt Sætre sein. 


Algenpizza à la Melanie Endemann

Zutaten (für vier Personen)
Teig: 300 ml lauwarmes Wasser, ½ ­Packung frische Hefe, 2 EL Olivenöl, ½ TL Meeresalgensalz, 400 g Pizzamehl. Sauce: 140 g Tomatenmark, 2 Knoblauch­zehen, 2 EL Olivenöl, 1 TL Basilikum, 1 TL Oregano, 1 Spritzer Balsamicoessig, ½ TL getrockneter Zucker­tang (alternativ Alaria). Belag: 2 Blatt frische oder 1 TL getrocknete Norialgen, 125 g Mozzarella, 100 g Spinat, ½ TL Lappentang (Dulse), in Flocken gehackt, geriebener Parmesan. 

Zubereitung
Den Hefeteig zubereiten und mindestens zwei Stunden ruhen lassen, dann aus­ziehen und aufs Backblech legen. Die Zutaten für die Sauce zusammenrühren und den Teig damit bestreichen. Spinat in Streifen und Mozzarella in Scheiben schneiden und Pizza damit belegen. Dulseflocken und geschnittene Noristücke darüber verteilen. Etwas geriebenen Parmesan hinzugeben. Bei 240 Grad circa 5 bis 6 Minuten backen. 

Unterwasserrestaurant „Under“ 
Bålyveien 48, 4521 Lindesnes,
Reservierungen: booking@under.no, Website: www.under.no. 

Der nächste Flughafen ist 85 Kilometer entfernt in Kristiansand. Von dort verkehrt auch eine Schnellfähre nach Dänemark. Übernachten kann man nahe dem „Under“ im „Lindesnes Havhotell“.

mare No. 165

mare No. 165August / September 2024

Von Detlef Jens und Marie von Krogh

Detlef Jens, geboren 1958, ist ein deutscher Journalist und Autor. Er lebt in Flensburg.

Marie von Krogh lebt und arbeitet in Stavanger, Norwegen. An der Universität studierte sie Journalismus und Kunst- und Kulturgeschichte. Früher arbeitete sie als Journalistin für eine Lokalzeitung. 2009 gab sie den Job auf, um als freiberufliche Fotojournalistin zu arbeiten.

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Vita

Detlef Jens, geboren 1958, ist ein deutscher Journalist und Autor. Er lebt in Flensburg.

Marie von Krogh lebt und arbeitet in Stavanger, Norwegen. An der Universität studierte sie Journalismus und Kunst- und Kulturgeschichte. Früher arbeitete sie als Journalistin für eine Lokalzeitung. 2009 gab sie den Job auf, um als freiberufliche Fotojournalistin zu arbeiten.

Person Von Detlef Jens und Marie von Krogh
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Detlef Jens, geboren 1958, ist ein deutscher Journalist und Autor. Er lebt in Flensburg.

Marie von Krogh lebt und arbeitet in Stavanger, Norwegen. An der Universität studierte sie Journalismus und Kunst- und Kulturgeschichte. Früher arbeitete sie als Journalistin für eine Lokalzeitung. 2009 gab sie den Job auf, um als freiberufliche Fotojournalistin zu arbeiten.

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